Hallo, ich bin der Schwarzstorch (ciconia nigra).
Ich bin ein scheuer Waldvogel und lebe hier im Odenwald im Eiterbachtal. Im Gegensatz zum Weißstorch, wir gehören beide in die Gruppe der Schreitvögel, bevorzuge ich ruhige, abgelegene Wälder, urwüchsig, störungsarm und gewässerreich.
Ich bin etwa so groß wie der Weißstorch mit einer Größe von circa
1 Meter und wenn ich meine Flügel spreize, habe ich eine Spannweite von etwa 1,5 bis 1,9 Meter. Mit einem Gewicht von ungefähr 2400-3000 Gramm bin ich ganz schön kräftig. Alt werde ich auch, sofern die Menschen mich nicht stören. Ein beringter Storch wurde 18 Jahre alt. In Gefangenschaft wurde ein Kollege bereits 31 Jahre.
Stimmlich kann ich mit einem großen Repertoire aufwarten, aber nur wenn ich es möchte. Ich klappere nicht einfach so drauf los wie
es vom Weißstorch bekannt ist, nein ich bin seltener zu hören mit einem lauten, schrillen Fiepen (Altvögel), leiser bei Jungvögeln mit japsen und Schnabelknapsen. Wenn schon Klappern, dann ganz leise.
Ich bin ein schöner Kerl, allerdings sieht meine Frau genauso cool aus wie ich. Mein Federkleid ist überwiegend schwarz mit weißem Bauch. Mein Gefieder hat zur Brutzeit ab Februar einen metallischen Glanz. Augenring, Beine und Schnabel werden dann leuchtend rot. Ich habe lange Beine, einen langen Hals und einen langen geraden Schnabel. Mit meinen langen breiten Flügeln bin ich ein ausgezeichneter Segelflieger und fliege mit ausgestrecktem Hals.
Balz und Eiablage von 3 bis 5 weißen Eiern erfolgen Ende März bis Anfang Mai. Dazu suche ich für meine Familie nicht zu dichte Baumbestände für freien An- und Abflug. Bei der Auswahl der Baumart bin ich nicht wählerisch. Sowohl Nadelgehölze als auch alte knorrige Laubbäume können meinem Horst dienen.
Diese baue ich in etwa 10 Meter Höhe nahe am Stamm und bevorzugt in einer Astgabel, häufig auch an verzweigten Seitenästen. Die Horste (Neste) gehören zu den größten in der Vogelwelt, die bis zu 1,5 Meter lang und 1 Meter hoch sein können. Wenn möglich nutze ich den Horst über mehrere Jahre. Da mein Nest aber sehr schwer ist, kann es passieren, dass es abstürzt. Aus diesem Grunde lege ich meist mehrere Horste an. Wird die Brut gestört, so steht unserer Familie ein Ausgleichnest zur Verfügung. Mehr als eine Brut haben wir nicht, da bereits das Brüten und Aufziehen der Jungen unsere ganze Energie erfordert.
Wir brüten abwechselnd alle 3 bis 4 Stunden über 32 bis 36 Tage. Dann müssen wir 60 bis 72 Tage lang füttern und nach dem ersten Ausflug kommen die Jungen noch 10 bis 15 Tage zur Verpflegung und Übernachtung zum Nest. Zum Füttern brauchen wir Fließgewässer, da wir für unseren Nachwuchs ausreichend Fische wie Forelle, Groppe, Wasserinsekten, Amphibien und Krebse benötigen.
Auch darf der Wald nicht zu aufgeräumt sein, zum Anflug für flügge Jungvögel wird Totholz benötigt. Ende August ziehen bereits unsere Jungstörche noch vor uns Eltern in den Süden. Wir sind thermikabhängige Zugvögel.
Mit dem Klimawandel werden die Zugrouten immer kürzer. Viele von uns west -und mitteleuropäischen Schwarzstörche überwintern bereits in Spanien, manche ziehen aber weiterhin über Gibraltar nach Westafrika. Die osteuropäischen Schwarzstörche ziehen über den Bosporus, Türkei, Syrien nach Israel und Ostafrika. Eigentlich würden wir lieber hier überwintern, da wir auf unserem Flug großen Gefahren ausgesetzt sind.
Die größten Gefahren, die uns überall begegnen sind Störungen besonders durch Sichtkontakt mit dem Menschen, Waldwirtschaft durch Veränderungen unseres Lebensraumes, ferngesteuerte Hubschrauber, Motocross und Gleitschirmflieger, Unfälle an Stromleitungen, Windkraftanlagen sowie Schienen- und Straßenverkehr. Auch sterben noch immer zahlreiche Tiere von uns an illegalen Vergiftungen und Abschüssen in allen Teilen der Welt.
Das Eiterbachtal wäre eigentlich ein optimaler Standort für uns. Es ist als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Trotzdem leben wir hier inzwischen in höchster Gefahr. Es liegt direkt unterhalb des Höhenrückens Stillfüssel.
Mit Genehmigung der 5 Windindustrieanlagen auf dem Stillfüssel am 30. Dezember 2016 und der Aufstellung dieser "Monster", die über 200 Meter hoch sind, leben wir in einer Todeszone. Wir Waldvögel erkennen diese Kolosse nicht bei unseren Flügen. Zwischen den Rotorblättern, die 130 Meter lang sind, hindurch zufliegen stellt ein Balanceakt dar und die Gefahr der Tötung ist mehr als real. Meint Ihr, wir und unsere Kinder erkennen, im Naturschutzgebiet dürfen wir fliegen und einige Meter weiter werden wir geschreddert? Warum gibt es keine größeren zusammenhängende Schutzgebiete für uns? Auch die Stille und die Unberührtheit der Natur, die wir so schätzen und lieben, gibt es nicht mehr.
Warum nur muss der Mensch sich so aufführen, uns unseren Lebensraum streitig machen? Warum können wir nicht vernünftig zusammenleben? Der Mensch breitet sich immer mehr aus. Erhaltet unsere Natur. Nicht nur für uns - auch Ihr benötigt sie, wann werdet Ihr es begreifen?
Dr. Angelika Grimm-Eckardt